Der Bär von Weiden |
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[1] Im Weidener Lande herrscht Waldemar,
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Und er herrscht nun schon an die vierzig Jahr
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Dort, auf dem stolzen Pandlarilthron.
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Von Herrn Wallfried hat er die Herzogenkron.
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Über Baliho, Bärwald und Sichelwacht,
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Die rauhen Lande der Mitternacht,
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Hält der Herzog die schützende Wehr,
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Und sie nennen ihn den Weidener Bär.
[2] Auf der Bärnburg zu Trallop sitzt Waldemar,
Im Firunsfellmantel, lockig sein Haar,
Er blickt aus dem Fenster, das Land liegt im Schnee,
Er blickt über Trallop, hinaus auf den See.
Auf Weiden schaut er, der Väter Land,
Und ballet drohend die mächtige Hand:
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Denn ferne erkennt er mit runzelnder Stirn,
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Wie schwärzliche Wolken im Osten irren,
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Sie ziehen und drängen sich über den Berg,
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Es blitzet und donnert durch finsteres Werk.
[3] Da naht ihm Walpurga im Mantel rot
Und meldet dem Vater die furchtbare Not.
So spricht die Tochter, die wackere Maid:
"In Tobrien herrschen der Tod und das Leid.
Verloren die Reiche der Nachbarschaft,
Die Edelsten längst schon dahingerafft:
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Gefallen der Herzog bei Eslamsbrück,
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Gefallen Yppolita gleichem Geschick,
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Gefall’n Efferdane von Ehrenstein,
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Gefallen so viele aus unseren Reih’n,
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Gefallen manch einer aus Ysiliens Saal –
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Gefallen auch Dietrad, mein Ehegemahl..."
[4] Und Waldemar in die Runde blickt,
Von Wut und Sorge tief bedrückt,
Und donnert laut, es hallt durch das Schloß:
"Auf, rüstet ein starkes Heer und den Troß!
Ich stritt gegen Orken stets ohne Scheu
Und hielt dem König seit jeher die Treu,
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Dämonenknechte schrecken mich nicht -
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Wir ziehn ihre Horden vor Praios Gericht!
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Und nimmer, solange auf Deren ich bin,
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Kämpft ohne Weiden der gute Herr Brin."
[5] Und schweigend umarmt ihn Frau Aralzin,
Die schöne und weise Herzogin;
Sie selbst reicht ihm Windsturm, die Klinge sein
Und kleidet ihn in den Waffenrock ein.
Dann nimmt er Abschied von seinem Glück:
"Bete zur Leuin, bald kehr ich zurück!"
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Sie blickt aus dem Fenster, er jaget davon,
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Sie eilt raschen Schrittes auf den Balkon
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An ihrer Seite ein Knabe steht,
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Der Wind durch Jung-Arlans Haare weht.
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"Dein Großvater reitet zu neuer Schlacht -
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O Göttin, wird er uns wiedergebracht?
[6] Der Praiosscheibe goldener Schein,
Spiegelt sich hell auf den Heeresreihn,
Auf Schilden und Brünnen und rundem Visier,
Auf Panzer und Harnisch, auf Fahn’ und Panier.
Es dröhnet die Erde, als Waldemar naht,
Und die Weidener reiten von früh bis spat.
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Doch unter allen marschieret mit
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Ihr Herzog, ihr Herzog mit eilendem Schritt.
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Und mächtig kündet der Weidener Zorn
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Fantholi, der Herzöge uraltes Horn.
[7] Die Wochen und Monde gehn in das Land,
Aus Tobrien wird manche Kunde bekannt,
Von Schlachten und Siegen, von großem Verlust,
So bangen die Herzen in wartender Brust.
Und dann eines Tages, der Morgen graut,
Man dunkle Schatten im Tale schaut:
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Sie ziehen im Nebel, bei Fackelschein,
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In langsam schreitenden festlichen Reih’n.
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Und auf der Bahre des vordersten Pferds,
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Schimmert die Klinge des trefflichsten Schwerts,
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Daneben ein Mantel aus Bärenfell,
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Und ein Horn, das einstmals erschallte so hell.
[8] Sie ziehen zur Bärnburg, man öffnet das Tor
Und schweigend schon tritt Frau Yolina hervor.
Sie sieht die Edlen, doch spricht sie nicht.
Sie schaut ihnen nicht ins entsetzte Gesicht.
Sie blickt auf die Bahre, denn auf der Bahre liegt er:
Waldemar, der Herzog, der Weidener Bär.
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Text: Kai Rohlinger, Melodie: Vivienne Meier (Talea, 2010)
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